Weckruf – „wake-up call“

Regenwetter. Die Zeit scheint still zu stehen. Ich liebe diese Stimmung. Kein schönes Wetter, das mich zwingt, früh aufzustehen und etwas zu unternehmen. In aller Ruhe und ohne schlechtes Gewissen kann ich den ganzen Morgen im Bett liegen. Oder mich den ganzen Nachmittag in meinen Liegesessel legen und lesen. Oder Musik hören. Oder einfach nichts tun, meine Seele baumeln lassen. Oder an mir selbst arbeiten, obwohl mir das Letztere nicht sehr attraktiv erscheint. Warum wohl? An sich selbst arbeiten ist doch toll und bringt einem einen Schritt (manchmal nur einen halben) weiter. Warum also sträube ich mich heute innerlich, zu reflektieren, tiefer in mich hineinzuschauen?

Wenn ich nicht reflektiere, kritisch meine Entscheide, Gedanken und Überzeugungen hinterfrage, dann bleibe ich immer dort, wo ich gerade bin. Ich bleibe die Person, die ich bin. Ist das verlockend? Ich denke nicht. Denn Stillstand bedeutet Rückschritt. In unserer heutigen Zeit bleibt nichts, wie es einmal war. Auch wenn wir uns noch so dagegen sträuben. Früher oder später müssen wir loslassen und weitergehen: unseren Job, den Partner, Freunde, die Kinder, Haustiere, die Wohnung. Irgendeinmal kommt der Zeitpunkt, an dem wir etwas ändern müssen in unserem Leben. Eine Möglichkeit ist, einfach die Augen zu schliessen und zu verharren, festzuklammern. Oder wie der Strauss den Kopf in den Sand zu stecken. Doch so einfach ist es nicht. Denn das Universum lässt das nicht zu. Wenn wir zu lange stillstehen, schickt es uns einen «wake-up call», einen Weckruf. Damit werden wir gezwungen, uns zu bewegen. Ich erlebte ein paar solcher «wake-up calls» in meinem Leben. Ein jeder erinnerte mich schmerzhaft daran, endlich weiterzugehen. Eine Kündigung, mit der ich meinen scheinbaren Traumjob verlor. Oder das Verlassenwerden durch meinen scheinbaren Traumpartner. Ohnmachtsgefühle, Existenzängste, Gedanken über den Sinn des Lebens. Die ganze Palette. Doch der Leidensdruck war endlich gross genug; ich begann mich zu bewegen. Zuerst in kleinen Schritten, dann in grösseren. Plötzlich machte mein Leben wieder Spass, bekam erneut Sinn.

Heute lasse ich es nicht mehr so weit kommen. Ich reflektiere und meditiere täglich, gebe meiner inneren Stimme Raum, sich zu melden. Ich nehme Kurskorrekturen in meinem Leben vor, schon früh, wenn ich spüre, dass etwas nicht mehr stimmig ist für mich, wenn ich etwas loslassen muss, weiterziehen. Diese kleinen Korrekturen brauchen Mut. Doch sie sind schmerzlos im Vergleich zu den «wake-up calls» des Lebens.

Warum also nicht gleich damit beginnen, an sich zu arbeiten, bevor wir dazu gezwungen werden?

Jeder Schritt bringt uns näher zu uns selbst, zum inneren Glück. Was gibt es mehr anzustreben, als dem Ruf der eigenen Seele zu folgen?

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